Als im Zuge der Corona Pandemie Social Distancing eingeführt wurden, viele Firmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice schickten und sich das Reisen schwieriger gestaltete, richtete sich manche Hoffnung auf sie: Die Videokonferenz. Doch nach nur wenigen Monaten ist die scheinbar so innovative Alternative entzaubert.

Viele sprechen, in Anlehnung an einen der bekanntesten Anbieter,  schon von einer regelrechten „Zoom-Müdigkeit“ (Zoom Fatigue). Doch woran liegt das und warum kann die Videokonferenz echte Meetings nicht ersetzen?

Tücken der Technik

Einer der Gründe sind technische Probleme, die bei Zoom, Microsoft Teams, Skype  oder anderen Anbietern weiterhin auftreten.  Die Bild- und Tonübertragung ist nicht immer befriedigend. Nicht selten kommt es auch zu zeitlichen Verzögerungen oder einem eingefrorenen Bildschirm.  All das erschwert ein flüssiges Gespräch; die Teilnehmer haben ständig die Sorge, einander ins Wort zu fallen. Wer eine Anmerkung machen möchte, kann sich oft nicht bemerkbar machen.

Sicherheitslücken  und Datenschutz

Zoom-Nutzer zahlten außerdem bis April mit ihren Daten. Beim Start der iOS-Version schickte der Dienst eine Identifizierungsnummer des Nutzers, den Geräte-Standort und weitere Daten über das Mobilfunknetz an Facebook – sehr zur Freude von Datenhändlern.  Dies ist inzwischen zwar abgestellt. Doch immer wieder gelingt es auch Hackern, sich bei verschiedenen Anbietern in Konferenzen einzuklinken. Ein gravierendes Sicherheitsproblem.

Stress-Faktor Videokonferenz

Doch damit nicht genug. Viele Menschen geben an, sich von Videokonferenzen regelrecht ausgelaugt zu fühlen. Das virtuelle Meeting wird als deutlich  anstrengender wahrgenommen als eine Besprechung in der realen Welt. Psychologen haben hierfür mehrere Erklärungen. Bei der Kommunikation über Video findet eine Entkoppelung statt, erklärte Prof. Dr. Carmen Zahn von der Fachhochschule Nordwestschweiz im Interview mit der NZZ. Zwar komme das Gesagte beim Gegenüber an; Reize, die für die soziale Ebene der Kommunikation wichtig seien (Mimik, Gestik, Tonlage, Stimmungen usw.), würden aber nicht oder nur eingeschränkt übermittelt. Menschen seien jedoch auf diese Reize angewiesen, um die Informationen korrekt zu interpretieren. Sprächen sie online miteinander, versuchten sie die fehlenden Informationen zu ergänzen. Deshalb investierten sie  in Videokonferenzen sehr viel mentale Energie, was zur Erschöpfung führe.

Auch der Augenkontakt kommt zu kurz. Die Anordnung von Kamera und Bildschirm verhindern es, einander direkt in die Augen zu schauen. Damit das Gegenüber zumindest das Gefühl hat, dass man ihm in die Augen sieht, müsste man schon  direkt in die Kamera blicken. Das führt dann aber zwangsläufig dazu, dass man selbst seine Gesprächspartner aus den Augen verliert.

Ähnliche Feststellungen traf auch Professor Gianpiero Petriglieri von der Insead  Business School gegenüber der BBC: In einem persönlichen Gespräch spüre man Stimmungen intuitiv und könne sein Verhalten darauf anpassen. Mehrere virtuelle Räume und die jeweils darin sitzenden Konferenzteilnehmer gleichzeitig zu beobachten und ihre Stimmung einzuschätzen sei dagegen fast unmöglich.

Ausblick

Es fehlt uns also einiges, wenn wir mit Menschen nur noch über Video-Konferenzen kommunizieren, anstatt sie wirklich zu treffen. Die als unpersönlich und unnatürlich empfundene Konferenz in der virtuellen Welt kann das echte Meeting noch lange nicht ersetzen. Die viel prophezeite völlige Digitalisierung der Arbeitswelt ist auch durch die Corona-Krise nicht eingetreten. Geschäftsreisen, Besprechungen und Zusammenkünfte in der realen Welt haben weiterhin ihren festen Platz.